Nikolaus von Kues: Wie können die Menschen Gott kennen?

In seinem Hauptwerk De docta ignorantia, fragt sich Nikolaus von Kues wie der Mensch Gott erkennen kann und deshalb analysiert er die menschliche Erkenntnis. Sie funktioniert durch eine Zahlrechnung. Er vergleicht sich mit Etwas noch unbekannt und so erkennt er das Erkenntnisobjekt. Die ganze Erkenntnisverfahren ist gleich wie mit Zahlen zu rechnen. Aber diese Erkenntnisverfahren kann nur die endliche Dinge einschließen. Unser Problem ist, dass die Wahrheit eine transzendente Einheit ist, unendlich, ewig, unaussprechlich und unbekannt aber das Erkenntnissubjekt ist endlich.

Nikolaus von Kues sagt, dass das Probleme die Differenz zwischen dem Gegenstand und dem Objekt ist. Denn die menschliche theoretische Fähigkeit ist verschieden zum Erkenntnisobjekt. Am Beispiel, der Mensch kann die Länge von einer Linie messen, weil er ein Metermaß hat. Wenn das Erkenntnissubjekt und das  Erkenntnisobjekt so weit einander entfernt sind, gibt es kein Metermaß, das sie verbinden kann. Tatsächlich gibt es kein menschliches Metermaß, das die Unendlichkeit messen kann: das ganze menschliche Erkenntnis ist verwundbar und machtlos.

Omnes autem investigantes in comparatione praesuppositi certi proportionabiliter incertum iudicant; comparativa igitur est omnis inquisitio, medio proportionis utens. Et dum haec, quae inquiruntur, propinqua proportionali reductione praesupposito possunt comparari, facile est apprehensionis iudicium; dum multis mediis opus habemus, difficultas et labor exoritur; uti haec in mathematicis nota sunt, ubi ad prima notissima principia priores propositiones facilius reducuntur, et posteriores, quoniam non nisi per medium priorum, difficilius. Omnis igitur inquisitio in comparativa proportione facili vel difficili existit; propter quod infinitum ut infinitum, cum omnem proportionem aufugiat, ignotum est. Proportio vero cum convenientiam in aliquo uno simul et alteritatem dicat, absque numero intelligi nequit. Numerus ergo omnia proportionabilia includit 
(Nicolaus Cusanus, De docta ignorantia I, 5, 5-10).

Also, gibt es keine Möglichkeit, durch die menschliche Erkenntnis, Gott zu erkennen. Der Gottesbegriff ist zu groß als dass der menschliche Verstand ihn begreifen konnte. Trotzdem, sagt Nikolaus von Kues, dass jetzt, nach der Erfahrung der Machtlosigkeit, der Mensch etwas mehr weißt. Der Mensch weißt nun dass er Machtlos ist. Er weißt, dass die Trinität über seinen Fähigkeit und Möglichkeit steht. Cusanus hat diesen Machtlosigkeit-begriff „docta ignorantia“ genannt. „Docta ignorantia“ ist also der beste Begriff über die Wahrheit, den der Mensch annehmen kann. Trotzdem wird jede menschliche Erkenntnis über die Wahrheit nicht Maßgenau sein, aber er wird immer eine „coniectura“ sein. Die „coniectura“ ist eine Erkenntnisweise, die durch den „docta ignorantia“ geschehen ist. Diese Erkenntnis ist die tiefste Erkenntnis, die der Mensch erreichen kann.

Si igitur hoc ita est, ut etiam profundissimus Aristoteles in prima philosophia affirmat in natura manifestissimis talem nobis difficultatem accidere ut nocticoraci solem videre attemptanti, profecto, cum appetitus in nobis frustra non sit, desideramus scire nos ignorare. Hoc si ad plenum assequi poterimus, doctam ignorantiam assequemur. Nihil enim homini etiam studiosissimo in doctrina perfectius adveniet quam in ipsa ignorantia, quae sibi propria est, doctissimum reperiri; et tanto quis doctior erit, quanto se sciverit magis ignorantem. In quem finem de ipsa docta ignorantia pauca quaedam scribendi labores assumpsi.
(Nicolaus Cusanus, De docta ignorantia I, 6, 20-25)

Die „Docta ignorantia“ ist nicht nur ein Wissen zum Unwissen. Sie ist verschieden von der Sokratischen Unwissenheit, weil Cusanus eine ontologisch Unmöglichkeit denkt, aber die Sokratisch Unwissenheit nur eine theoretisch Unerkennbarkeit ist. Cusanus ist radikal: es gibt keine Möglichkeit über eine maß-genaue Wahrheitserkenntnis und jede unserer menschlichen Erkenntnisse wird immer ohne „praecisio“ sein. Der „docta ignorantia“ und die Name Gottes (Possest, Trinität) sind nur die Mittel Gott einzuholen. Wir können Gott nicht greifen, wie man die Länge eine Linie messen kann, sondern nur eine Geistige Anschauung haben.

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